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Ein Gespräch mit Charlotte SeiOn

In der schönen Landschaft des Taunus steht die Altbäckersmühle. Ein Zen Tempel in der Linie von Kobun Chino Otogawa Roshi, welcher vor 30 Jahren von Ellen Genki und Kurt KyuSei Österle gegründet wurde. Charlotte SeiOn, bereits 2008 von Genki und KyuSei zur Zen Nonne ordiniert und 2020 zur Zen Lehrerin ernannt, praktiziert seit 1999 in der Sangha der Altbäckersmühle und im San Bo Dojo.

Patrick: Du bist seit über 20 Jahren im San Bo Dojo dabei und fast ebenso lange im Zen-Zentrum Altbäckersmühle in der Nähe von Nassau/Lahn. Du hast sozusagen zwei Heimat-Dojos. Wie ist das, in zwei Sanghas zuhause zu sein? Ist das eher befruchtend oder gab es damit irgendwann auch einmal Probleme?

Charlotte: Nein, ich fühle mich beiden Sanghas gleichermaßen zugehörig und gleichermaßen integriert. Priorität, was den Zeiteinsatz und die Teilnahme an Sesshins betrifft, hat – natürlich – mein Lehrer in der Altbäckersmühle, Kurt KyuSei Österle. Das Bonner Dojo ist sehr offen, es gibt inzwischen einige Praktzierende, die Lehrer sozusagen außerhalb haben. Das wirkt befruchtend, keinesfalls störend.

Patrick: Im neuen Jahr gibt es ja einige Änderungen in der Altbäckersmühle. Kannst Du uns dazu etwas sagen?

Charlotte: Die Altbäckersmühle als Zentrum für Zen-Meditation, Yoga und Zen-Bogenschießen wurde vor 30 Jahren von Ellen Genki und Kurt KyuSei Österle gegründet. Beide sind inzwischen weit über das Ruhestandsalter hinaus und möchten sich ein Stück weit zurückziehen – zumindest räumlich. Sie werden im Januar 2021 nach Wiesbaden umziehen.

Am 20. September haben sie ihren Sohn Michael HoKai Österle in Rahmen einer Bergsitz-Zeremonie als Dharmanachfolger und spirituellen Leiter der Altbäckersmühle eingesetzt. Er übernimmt zugleich das Anwesen als Eigentümer und hat viele Pläne für den weiteren Ausbau, die Programmgestaltung usw.

HoKai hat so formuliert: „Ich wünsche mir sehr, dass die Mühle weiter organisch wächst und Menschen anspricht, die auf der Suche nach Spiritualität und einem Übungsort für eine fundierte buddhistische Praxis sind, die ihre Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensthemen in einem unterstützenden, wohlwollenden Umfeld einer Sangha erleben und darin wachsen möchten.“

Patrick: Was ist konkret geplant?

Charlotte: Das Programm für 2021 steht und die neue Homepage www.zen-zentrum-altbaeckersmuehle.de ist online. (Das Buchungsprogramm ist in Arbeit und soll in ca. 14 Tagen laufen.) Hier wird deutlich, dass das Angebot sehr umfangreich und breit gefächert ist.

Alle Veranstaltungen sind im Prinzip gleich aufgebaut: Den Rahmen bildet ein klassisches Sesshin in das unterschiedliche Elemente integriert sind: Yoga, Bogenschießen, Bogenbau, Kalligraphie, Inipi (Schwitzhütte), Zen+Philosophie, Achtsamkeit in der Natur und ein virtuelles Zendo. GenKi und KyuSei werden – wie bisher – diverse Sesshins und ein umfangreiches Yoga-Programm anbieten. Auch Du bist ja mit zwei Angeboten im Oktober eingeplant: Zen und Sensory Awareness mit Stefan Laeng und Zen und Sumi-e (japanische Tuschemalerei) mit Corinna Loelgen.

Auch ganz neue Formate sind geplant: Zum Beispiel eine „Praxisperiode“ vom 01.06.
bis 18.07.2021, jeweils von Montag bis Freitag unter dem Titel: „Meditation und Arbeit“. Jede helfende Hand ist willkommen, das Haupthaus der Mühle braucht Renovation! An den Wochenenden finden dann jeweils Zazenkai statt.

Für den Aus- und Umbau des Hauses und die Gartenanlage hat HoKai viele Ideen und Pläne. In jedem Fall soll eine professionelle Küche eingebaut werden, damit bei Veranstaltungen selbst gekocht werden kann (bisher wurde das Mittagessen von einem Caterer geliefert). Das Dojo soll vergrößert werden und es werden zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen – auch mit Blick auf Corona-Beschränkungen. An den eigenständigen Anbau von Gemüse ist gedacht, an ein Backhaus und vieles mehr.

Patrick: Wer organisiert und begleitet diese vielen Aktivitäten vor Ort?

Charlotte: HoKai lebt in Bayern und ist dort – und auch durch seine Lehrtätigkeit in verschiedenen Zen-Zentren in Deutschland und der Schweiz gebunden. In der Altbäckersmühle soll sich daher eine Hausgemeinschaft etablieren, die das Zentrum durch ihre Praxis maßgeblich trägt und den Ort mit Leben füllt. Hier stehen wir noch am Anfang und sind offen Interessierte, für Ideen und Vorschläge.

Infos: www.zen-zentrum-altbaeckersmuehle.de

Zen Wanderung im Siebengebirge

„Der Weg ist unter unseren Füßen und es ist schön zu sehen, wie wir ihn als Gruppe gemeinsam gehen und doch jede/r mit seinen eigenen Schritten und in ihrem eigenen Tempo unterwegs ist“.

Am 29.08.2020 hätte eigentlich ein Zen Tag mit Muho in Bonn stattgefunden, den wir aber wegen Corona auf 2021 verschoben haben. Aber es gab ein Alternativprogramm. Da unsere letzte Wanderung mit dem Dojo tatsächlich bereits 2009 stattfand, war es an der Zeit, wieder einmal gemeinsam in der Natur unterwegs zu sein. Nachdem wir uns am mittlerweile schon wieder etwas kühleren Samstagmorgen an der Ruine des Chorgewölbes versammelt hatten, begannen wir den Tag mit Zazen vor der Kapelle des Kloster Heisterbach. Das stille Sitzen in der Morgenfrische und das Lauschen auf die Geräusche der Natur, waren eine belebende Erfahrung. Da wir die Zeremonien und Rezitationen im Dojo wegen Corona auf ein Minimum beschränkt haben, war es eine Freude, gemeinsam das Hannya Shingyo im Freien rezitieren zu können. Im Anschluss brach die Gruppe dann unter Führung von Renate zur gemeinsamen Wanderung auf…

Zunächst führte uns der Weg den Petersberg hinauf. Hier wurden wir erst einmal mit grossen abgeholzten Flächen und totem Fichtenbestand konfrontiert, was mir/uns schmerzlich die Zerstörung der Umwelt und auch die Auswirkungen des Klimawandels vor Augen führte.

„Wir nehmen alles an, ohne es zu bewerten oder zu verurteilen. Gleichzeitig übernehmen wir Verantwortung für unser eigenes Handeln und Tun“.

Weiter ging es über den schmalen Bittweg („Zum Ablass auf den Berg“) den Petersberg hinauf. In früheren Zeiten wurde dieser Weg oft von Menschen gegangen, die auf ihrem Anstieg eine Bitte im Herzen trugen. Der Wald wurde dichter und auch wieder grüner und der Weg teilweise schmal und steinig. Oben angekommen, hatten wir von der Terrasse des ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung und heutigen Steigenberger Hotels, eine großartige Aussicht über das Rheintal. Der weitere Weg führte uns dann zunächst wieder ein Stück hinunter ins Tal und weiter den Nonnenstromberg hinauf.

Das wunderbare Wetter und ein ganz besonderes Licht im Wald, machten unseren schweigenden Anstieg (fast) zu einer mystischen Erfahrung. Verschiedene Landmarken, wie eine alte Eiche und ein Steinhügel waren schöne Gelegenheit zum Innehalten. Die letzten Meter vor dem Einkehrhäuschen Waidmannsruh führten uns über einen Bergkamm, von dem aus es links und rechts tief ins bewaldeten Tal hinunter ging…

Während einer kurzen Rast im Einkehrhäuschen, hörte eine Teilnehmerin, von der Toilette aus, die Glocke an der Durchreiche der Küche, welche signalisiert, dass ein Essen herausgegeben werden kann. Sie machte unwillkührlich Gasshô und wunderte sich anschließend über die eigene Konditionierung (Pawlow).

Anschließend war es nicht mehr weit zur letzten Station unserer stillen Wanderung, dem Stenzelberg. Die besondere Landschaft des Stenzelberg, einem ehemaligen Steinbruch, der an eine Wild-West Szenerie oder auch andalusisches Hinterland erinnert, war noch einmal sehr eindrucksvoll. Zum Ende der Wanderung und vor dem gemeinsamen Picknick gab es von Babis noch eine kurze QiGong Einheit, in der wir unsere Körper lockern und dehnen und das Chi einsammeln konnten.

Beim anschließenden Mittagessen und einer wunderbaren Aussicht über den Rhein in Richtung Bonn, wurde das Schweigen gebrochen und zum geselligen Teil übergegangen. Der Rückweg führte dann vom Stenzelberg über den Weilberg zu einem (leider schon vor Jahren umgekippten) See im ehemaligen Steinbruch und einem Gruppenfoto.

Danke an Renate, Christoph, Annette und Babis für die tolle Organisation und Durchführung unserer Zenwanderung. Die gemeinsame Praxis in der Natur ist eine belebende Erfahrung und dieser Tag macht wahrlich Lust auf mehr…

„Dogen rät uns, die Bewegung der Berge zu studieren. Er spricht explizit vom Gehen der Berge. Er sagt, wir sollten dies nicht bezweifeln, wenn wir unser eigenes Gehen, unser eigenes Leben verstehen wollen“.

Zazen und Gespräch mit Muho via Zoom

Am 29.04.2020 haben wir, gemeinsam mit Muho, zu einem „Zazen und Q/A“ via Zoom eingeladen. Muho war zu unserem regulären Morgen Zazen aus Antaiji zugeschaltet und hat beim anschließenden Tee die Fragen der ca. 50 Teilnehmenden beantwortet.

Es ging u.a. um Fragen nach Klosterpraxis und Alltagspraxis, Genderthemen im (Zen-)Buddhismus, „Sterben auf dem Kissen“, Loslassen und Annehmen…

Das Zazen und die Gespräche wurden aufgezeichnet und sind auf YouTube hochgeladen. Ansehen könnt Ihr sie hier

(Die Gespräche beginnen ab 1:05:00)

Pure Kôsan – Zen Vegetarische Küche – Ein Gespräch mit Christiaan Kôsan Degrande

Christiaan Degrande ist Belgier, Niederländisch sprechend, 1954 geboren und Zen-Mönch. Seit vielen Jahren kreuzen sich unsere Zen-Wege immer wieder, vornehmlich bei den Zen-Sesshins mit Meister Roland Yuno Rech in der Grube Louise im Westerwald. Christiaan ist ein begeisterter Koch (Tenzo) und arbeitet aktuell an einem Buch „Pure Kôsan – Zen Vegetarische Küche“. Zeit für ein kleines Interview…

Frage: Christiaan, ich freue mich über die Gelegenheit zu diesem Gespräch. Bevor wir über die Besonderheiten der Zen-Küche sprechen, erzähle uns doch bitte zu Anfang kurz etwas zu Deiner Person und über Deinen Werdegang als Zen-Mönch und Tenzo.

Kôsan: Als Sohn eines belgischen Nato Offiziers lebte ich von 1964 bis 1983 in Siegburg (D). Nach meiner Ausbildung zum Zahntechniker und einer 8-jährigen Tätigkeit in Deutschland kehrte ich nach Belgien zurück, um mich selbständig zu machen. Meine Freizeit und Urlaube verbrachte ich mit Wandern und ging am liebsten in die Berge. Ich las Bücher des Extrembergsteigers Reinhold Messner, über seinen ersten Besuch im Pothala in Lhasa (Tibet), dem großen Tempel des tibetischen Buddhismus. So ist mein Interesse am Buddhismus entstanden und wächst nach und nach.

Irgendwann hatte ich alles erreicht was ich mir gewünscht habe, Familie, eigenes Haus, eigenes Geschäft… dann stellte ich fest, dass dies nicht der Sinn meines Lebens sein konnte, und am Ende des letzten Jahrhunderts landete ich unbewusst in einem Burnout mit all seinen Folgen (Scheidung, Insolvenz …). Auf der Suche nach dem tieferen Sinn meiner Existenz tauchte ich in eine alternative, esoterische und spirituelle Welt ein. Ich fand Arbeit in einem Zentrum für persönliche Entwicklung, wo ich mit Unterstützung feiner Kollegen das Kochen lernte. Gleichzeitig vertiefe ich mich in die buddhistische Philosophie und entdecke den Soto Zen Buddhismus. Schnell wurde beides eins. Was gibt es schöneres als Menschen zu ernähren im Zen-Geist. Gesunde Ernährung, Bio, PermaKultur, all das integriert sich in meinem Schaffen und Sein. Ein neues Leben hatte Gestalt angenommen.

Frage: Wir teilen beide dieselbe Leidenschaft, für andere Menschen zu kochen und mögen es, in Gemeinschaft zu essen. Nun schreibst Du mit „Pure Kôsan – Zen Vegetarische Küche“ ein Buch über diese besondere Form des Essens und seiner Zubereitung. Was erwartet uns in diesem Buch und wann wird es erscheinen?

Kôsan: Ich möchte ein allumfassendes Buch machen. Ein Art Nachschlagewerk mit Zen-Texten, über den Geist in der Zen Küche, die Rituale, die Sutren, Rezepte, die Art des Essens, …

Ich weiß, dass dies sehr ehrgeizig ist und dass dies Zeit braucht. Ich lasse mir Zeit aber ich habe eine Website gemacht, auf der man schon einiges nachlesen kann. Vorerst ist dies noch in französisch. (die Idee entstand in der Zeit, als ich im Tempel La Gendronniere (F) war.

Es werden auch kleinere Broschüren herausgegeben. Ich versuche, die erste über die „Guen Mai“ (Reissuppe) im Mai zu veröffentlichen.

Frage: Wie wählst Du Deine Speisen aus und was inspiriert Dich besonders, Deine Art des Kochen zu praktizieren?

Kôsan: Inspiration finde ich überall. Bücher, Fernsehen, schöne Fotos, bei Kollegen und, und, und. Dann frage ich mich, wie ich dies, auf eine schonende und einfache Weise für eine größere Gruppe machen kann. Dabei schaue ich mir auch an, was mir die Jahreszeit vor Ort zu bieten hat, Bio- und möglichst aus Permakultur. Es soll ausgewogen sein, geschmackvoll, farbenfroh aber einfach gemacht und möglichst gut nach zu machen sein.

“Kochen mit unser Buddha-Natur“

Frage: Meister Dogen spricht im Tenzo Kyokun, den Anweisungen für den Koch, von den drei Herzen als Haltung des Kochs in einer Klostergemeinschaft. Wie fließen das dort beschriebene freudige Herz, das alte Herz und das grosse Herz in Deine Praxis und die Zubereitung der Mahlzeiten ein?

Kôsan: Wenn man das Tenzo Kyokun gründlich liest und wieder liest, merkt man, dass diese metaphorische Empfehlungen, Richtlinie für das Leben sind. Wenn man sie integriert, in sein Leben und die Art des Kochens, dann wird es Leidenschaft. Obwohl es zum Erklären sehr komplex ist, ist es in der Ausführung einfach, weil es natürlich ist.

Man kann sagen “Kochen mit unser Buddha-Natur“, “Kochen mit jenseitigem Geist”, mit Herz und Seele und mit Gefühl und Mitgefühl für alles was uns umgibt.

Frage: Das Einnehmen der Mahlzeiten ist in einer Zen-Gemeinschaft ein eigenes Ritual und erscheint manchen Menschen oft kompliziert und undurchsichtig. Kannst Du z.B. etwas über das Essen mit mehreren Schalen und die Rezitationen sagen? Welchen Wert gibst Du dieser formalen Art des Essens?

Kôsan: Das rituelle Essen erscheint tatsächlich manchen Menschen oft kompliziert und undurchsichtig. Wenn wir wissen, warum wir so essen, ist es ziemlich einfach. Es ist ein traditionelles Ritual aus der japanischen Soto-Zen-Praxis, das seine Logik in jeder Geste findet. Es spielt keine Rolle aus wievielen Schüsseln wir essen, der Geist in dem wir essen, ist wichtig.

Aus drei Schalen zu essen, ist in vielen Zen Sangha’s Tradition. Es ist eine Handlung, die in jeder Geste Aufmerksamkeit verlangt. Und das ist es, was es schwierig machen kann; die Aufmerksamkeit in dem, was wir tun, in dem, was wir essen, zu behalten.

Die Rezitationen können uns helfen bewusster zu sein. Essen ist sich ernähren; nicht nur körperlich, es kann auch geistig sein. Die Qualität unserer Ernährung trägt mit dazu bei wie wir leben.

Frage: Bernie Glassman hat mal gesagt: „Jeder von uns kann der Koch seines eigenen Lebens sein“. Welche Verbindungen siehst Du in der Praxis als Tenzo und dem alltäglichen Leben?

Kôsan: Das Leben ist wie Kochen. Finde die richtigen Zutaten, behandle sie mit Mitgefühl und Respekt, wasche sie, teile sie in Portionen auf, setze sie kreativ zusammen und mische sie mit gut ausgewählten Gewürzen und serviere sie mit großer Sorgfalt. Dann kannst Du in Freude und Harmonie mit dem, was ist, essen (leben).

Frage: Seit vielen Jahren biete ich mit der Monks Kitchen bei 3 schätze eine offene Küche für wechselnde Gemeinschaften an, in der Menschen auch einen Hauch von Zen erfahren können. Wirst Du in Zukunft in erster Linie für Zen-Gemeinschaften und während Sesshins kochen oder bietest Du Deine Künste auch anderweitig an?

Kôsan: Im Moment koche ich oft auf Sesshins (vor allem in Belgien, Frankreich und Deutschland) aber manchmal auch für andere Gruppen außerhalb des Zen. Das erfordert eine Menge Energie aber es macht auch Riesen Spaß.

Die Zukunft wird zeigen, wo der Weg hingeht. Ich schaue nicht zu sehr in die Zukunft…

Frage: Herzlichen Dank für dieses Interview.

Kontakt:

Christiaan Kôsan Degrande
www.purekosan.com
E-Mail: kosan@skynet.be

Das Interview führte Patrick Ho Kai Damschen. Dies und andere Interviews werden gleichzeitig auf der Webseite von 3 schätze veröffentlicht.

Filmprojekt: Blueprints for Zen-Practice – Ein Gespräch mit Thorsten Heisan Schäffer

Thorsten Heisan Schäffer ist Zen-Mönch in der Tradition von Zen-Meister Roland Yuno Rech. Mit ihm führte er ein erstes Interview, welches der Beginn des Filmprojekts Blueprints for Zen-Practice sein sollte. 9 Fragen nach Erleuchtung, Ego, Leiden, Zen im Alltag usw. liefern die Grundlage für dieses Projekts. Nach einer Vielzahl von Interviews ist der Film nun (fast) fertig. Zeit für ein Gespräch…

Frage: Hallo Thorsten, schön, dass wir dieses Interview machen können. Erzähl uns doch zu Beginn kurz etwas zu Deiner Person.

Heisan: Da gibt´s nicht viel zu erzählen. Ich bin Zen-Mönch in der Tradition des Soto, verheiratet und Vater von zwei wunderbaren Kindern, Buch-Autor und praktiziere seit knapp 20 Jahren Zazen in der Linie von Roland Yuno Rech. Schon seit Kinderbeinen an faszinierte mich die Frage nach dem Sinn des Lebens, dem Sinn der Existenz. Diese Fragen brachten mich bereits mit 12 Jahren mit Zen in Kontakt.

Frage: Blueprints for Zen-Practice, das sind Gespräche mit Roland Rech, Olivier Wang-Genh, Muho, Alexander Poraj, Doris Zölls, Dirk Künne, Harry Teske, Nakagawa, Jion Blondstein, Anna Wassermeyer, Doko Waskönig und Christoph Hatlapa. Wann hattest Du die Idee zu diesem Filmprojekt und wann hast Du mit den Interviews begonnen?

Heisan: Die Idee schlummerte wohl schon etwas länger im Unterbewusstsein und basierte auf einem Film, den ich vor vielen Jahren gesehen hatte. Darin besuchte ein Mann verschiedene weise Männer und Frauen in Indien und stellte ähnliche Fragen wie ich in den Interviews.

Irgendwann war die Idee für dieses Filmprojekt dann völlig klar und ich „sah“ den Film bereits im Geiste. Einige Zeit später brachte ich zum Sesshin dann einfach die Kamera mit, erzählte meinem Lehrer von der Idee und er fragte mich, wann ich denn das Interview machen wolle. Ich antwortete ihm „Am liebsten sofort.“ Er war etwas überrascht, willigte aber ein am nächsten Tag das Interview durchzuführen. So fing alles an.

Frage: Der Film trägt den Untertitel „Einzigartige Dialoge mit europäischen Zen-Meistern über die Praxis des Zen“. Wie hast Du die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen gefunden, die im Film zu sehen sind.

Heisan: Mit einigen Lehrern war ich schon vorher im Kontakt. Die meisten habe ich aber über deren Webseiten ausfindig gemacht und habe ihnen einfach eine E-Mail geschrieben. Um ehrlich zu sein war ich etwas überrascht über die weitestgehend schnelle und positive Resonanz.

Da es mir wichtig war, nicht nur das Interview durchzuführen, sondern die Unterweisung in Form der Praxis jedes einzelnen Lehrers direkt zu erfahren, besuchte ich die Sesshins der Lehrer. Meist blieb ich ein bis zwei Nächte und so hatten wir Zeit für die Interviews.

Es war spannend und bereichernd, die Art der Unterweisung der unterschiedlichen Lehrer kennen zu lernen. Auch die Praxis der verschiedenen Traditionen wie Rinzai oder Soto, deren Ähnlichkeit und Unterschiede, waren für mich überaus interessant. So konnte ich die Erfahrung der Koan-Arbeit machen, die deutlich schnellere Rezitation der Rinzai-Schule, aber auch die unterschiedlichen Schwerpunkte der verschiedenen Soto-Lehrer kennenlernen.

Frage: Waren alle angefragten Lehrer*innen dem Projekt gegenüber aufgeschlossen oder hast Du auch Absagen bekommen?

Heisan: Es gab Lehrer, die sofort, ohne mich oder die Interviewfragen zu kennen, spontan zusagten ohne irgendwelche Rückfragen zu stellen. Viele wollten die Interviewfragen bewusst nicht einmal vor dem Termin erhalten, da sie frisch und ohne Vorbereitung aus dem Augenblick heraus die Fragen beantworten wollten. Das hat mich durchaus beeindruckt. Dann gab es Lehrer, die ohne irgendwelche Rückfragen zu stellen, mir ausrichten ließen, dass sie kein Interesse an diesem Filmprojekt hätten.

Aber es gab auch Sonderfälle, die mir zunächst dutzende Fragen zurück sendeten, mit der Bitte, diese zunächst zu beantworten. Nachdem ich bis zu 12 Fragen beantwortet hatte, zum Beispiel welche anderen Lehrer noch im Film vorkommen, wie der Film heißen soll, wie er veröffentlich wird und welche Fragen ich stellen würde, erhielt ich dann eine Absage.

Insgesamt schrieb ich etwa 18 Lehrer an. Interviews habe ich dann aber nur mit 12 Lehrern geführt und das hat dann auch gereicht. Ich habe es mir weniger anstrengend vorgestellt, die einzelnen Lehrer in Frankreich und ganz Deutschland zu besuchen, als es schlussendlich war. Meine Frau war übrigens auch erleichtert, als ich soweit alle Interviews im Kasten hatte und wieder mehr Zeit zu Hause verbrachte [Lachen].

Einen Lehrer, und das bedaure ich zutiefst, habe ich nicht mehr besucht, da die Zeit und Energie aufgebraucht war. Es handelt sich um Marcel Geisser, der in der Schweiz im Haus Tao praktiziert und den ich durch seine Bücher und unseren E-Mail Kontakt sehr schätze. Aber die Energie war einfach vorbei und so habe ich ihn nicht mehr besucht und persönlich kennenlernen können.

9 Fragen 9 Antworten

Die folgenden 9 Fragen wurden allen Zen-Meistern gestellt:

1. Wer bist du?
2. Was ist Erleuchtung? Was ist Erwachen?
3. Benötigt dieses Erwachen irgendwelche Voraussetzungen?
4. Was ist Zazen und wie praktiziert man es?
5. Wie können wir als Mensch das Leiden überwinden?
6. Was bedeutet „Das Ego zu überwinden“?
7. Was bedeutet Hingabe im Zen-Buddhismus?
8. Wie praktiziert man Zen im Alltag?
9. Was ist dein wichtiger aber kurzer Hinweis für Praktizierende?

Frage: Du hast jedem Lehrer, jeder Lehrerin dieselben neun Fragen gestellt. Waren dies auch Deine Fragen, die sich Dir im Laufe Deiner Praxis gestellt haben?

Heisan: Ja und nein, ich denke dass jeder Schüler sich mit den Fragen nach Erleuchtung und Erwachen, nach der Überwindung des Leidens und der Funktionsweise des Egos beschäftigt. Aber ehrlicherweise stammen die Fragen aus dem besagten Film, der mich zu „Blueprints for Zen-Practice“ inspiriert hat. Ich habe die Fragen etwas auf die Zen-Praxis angepasst und jeder Lehrer erhielt die selben neun Fragen.

Frage: Du sagtest vorhin, dass die Entstehung der Interviews immer auch mit einer gewissen Zeit der Praxis in den verschiedenen Zen-Sanghas zusammen hing. Was waren für Dich die gravierensten Unterschiede und gab es etwas, was Du überall wiedergefunden hast?

Heisan: Interessant war für mich vor allem, dass ich mich nicht wie sonst einfach ins Sesshin hineinfallen lassen konnte. Die Abläufe waren etwas unterschiedlich und ich fühlte mich bei manchen Sesshin, vor allem in der Rinzai-Tradition, wie ein blutiger Anfänger.

Das war eine wunderbare Erfahrung. Alle angelernten Abläufe, Routinen und Rituale der letzten 20 Jahre mussten losgelassen werden. Diese Erfahrung war sehr bereichernd.

Im Rinzai-Tempel zum Beispiel gab es das Holz, die große Glocke und das Metall, aber sie wurden auf eine andere Art und Weise genutzt. Das sitzen mit dem Gesicht in den Raum, die Koan-Praxis, die Handhaltung und das Tee-Ritual vor dem Zazen war auch so ein Beispiel.

Aber schlussendlich gab es auch viele Gemeinsamkeiten. Allen gemeinsam war zum Beispiel die Offenheit und Herzlichkeit, die mir entgegen gebracht wurde und die vermutlich typisch für das Zen im Allgemeinen ist. Ein paar der Lehrer waren offener, andere etwas verschlossen und wollten gerne ihren Lehrer-Status demonstrieren. Aber schlussendlich waren es immer interessante Begegnungen und Erfahrungen.

Frage: Gibt es hierzu eine Anekdote, eine besondere oder außergewöhnliche Situation über die Du berichten kannst?

Heisan: Die Art der Rezitation im Rinzai-Zen hat mich stark beeindruckt. Die Zeremonie hat zweimal täglich mit sechs oder sieben verschiedenen Texten und mehrfachen Wiederholungen über 45 Minuten stattgefunden. Dabei hat das Tempo mit jeder Wiederholung zugenommen, was eine starke Konzentration und Energie erzeugte, ähnlich der Kito-Zeremonie im Soto. Ich habe das Hakuin Sutra, das Hakuin Zenji Zazen Wasan, das es so im Soto nicht gibt, auf Grund seines Rhythmus und seiner Energie, aber auch auf Grund seiner Aussagen sehr zu schätzen gelernt.

Frage: Die Antworten Deiner Interviewpartner*innen sind teilweise recht unterschiedlich. Am Ende des Trailers sagst Du, sie entstammen der selben Essenz. Wie würdest Du die Essenz des Zen beschreiben?

Heisan: Wenn ich sage, dass alle Antworten aus der selben Essenz stammen, meine ich damit nicht die Essenz des Zen. Damit pressen wir die Wirklichkeit doch wieder nur in ein Konzept. Es ist die Essenz des Lebens, das von Augenblick zu Augenblick geschieht. Man kann diese Essenz nicht auf ein Wort wie Zen reduzieren, noch könnte ich sie dir mit Worten beschreiben.

Frage: Du bist, zumindest in unserer Zen-Linie, einer der wenigen, die stark auch mit modernen Medien arbeiten. So hast Du über Deinen YouTube-Kanal schon viele Videos und Anleitungen zur Zen-Praxis verbreitet. Gleichzeitig leitest Du auch eine Zen-Gruppe und bietest Zen-Tage und Sesshins an. Magst Du dazu etwas erzählen?

Heisan: Auweia, ja der YouTube-Kanal [Lachen]. Nach meiner Mönchsordination 2018 war da eine unglaubliche Energie die mich getragen und geleitet hat. Da ich auf einem kleinen Dorf wohne und nicht die Einwohnerzahl habe, um ein Dojo oder eine größere Gruppe aufzubauen, entstanden neue Wege, die Praxis an andere Menschen weiterzugeben oder zugänglich zu machen.

Anfang 2019 fiel die Entscheidung, dieses Jahr vollständig dem Zen-Weg zu widmen und ich hatte mich dazu weitestgehend aus beruflichen Aktivitäten zurückgezogen. Es war ein spirituelles Jahr oder Sabbatical wie man es heute nennt. Das Filmprojekt „Blueprints for Zen-Practice“ war ein Bestandteil davon. Die Videos in meinem YouTube-Kanal als auch die Sesshins und Zen-Tage, bei denen die Videos entstanden sind, war ein weiterer Punkt.

Außerdem kursieren nach wie vor so viele verrückte Ideen über Zen und die Praxis des Zazen, wie zum Beispiel, dass man seine Gedanken zum Stillstand bringen oder Schmerzen während Zazen aushalten müsste, um irgendwelche Bewusstseinserfahrungen zu machen. Auf Sesshins habe ich immer wieder Teilnehmer erlebt, die Schmerzmittel eingenommen haben, um die Schmerzen in den Knien zu unterdrücken und durchzuhalten. Diese Punkte waren wohl der erste Impuls mit den Videos zu starten.

Gerade in der heutigen Zeit kann ein spiritueller Weg wie der des Zen, der auf einer jahrtausende alten Tradition beruht, Menschen helfen sich mit sich selbst und ihrem Leben auseinander zu setzen. Zen kann den Menschen in Krisenzeiten Hoffnung schenken und die Akzeptanz fördern, die Dinge für den Augenblick so sein lassen zu können, wie sie nun einmal sind.

Was nicht heißt, dass wir lethargisch alles akzeptieren und annehmen sollen. Vielmehr ist es auch ein Akzeptieren des „nicht-akzeptieren-könnens“ und ein ins Handeln kommen zum Wohle anderer und getragen durch Mitgefühl. Aus meiner Sicht ist der Zen-Weg ein sehr aktiver, lebensbejahender Weg der spirituellen Praxis, der uns hilft uns selbst besser kennen zu lernen und uns schlussendlich die Erfahrung schenken kann, dass wir bereits sind wonach wir suchen, ohne es jemals finden zu können.

Frage: Der Film erscheint 2020 ebenfalls auf Deinem YouTube-Kanal, kostenlos für alle, die mehr über Zen und die Praxis des Zen erfahren wollen. Wird es auch eine DVD geben?

Heisan: Bisher ist noch keine DVD geplant, da der Film, wie du schon sagst, kostenlos auf YouTube erscheinen wird. Was aber ein weiteres Projekt sein wird, ist das Buch zum Film.

Leider mussten die Antworten vieler Lehrer und Lehrerinnen für den Film geschnitten und gekürzt werden. Aus diesem Grund suche ich aktuell noch nach Menschen, die einzelne Interviews gerne abtippen möchten und so zu diesem Buchprojekt beitragen wollen. Da ein solches Projekt nicht nur vom persönlichen Engagement getragen wird, benötigen wir darüber hinaus auch finananzielle Unterstützung. Die Korrektur und das Lektorat zum Beispiel sind ziemlich kostspielig.

Frage: Du hast ja bereits einige Bücher zum Thema Zen geschrieben. Magst Du dazu etwas sagen?

Heisan: Gerne. Das erste Buch „Zen – Erleuchtung und andere Missverständnisse“ beinhaltet die gesammelten Tagebücher der ersten 10 Jahre meines eigenen Zen-Wegs. In diesem Sinne habe ich also kein Buch geschrieben, sondern lediglich meine Tagebucheinträge abgetippt. Es entstand aus dem Wunsch heraus, dass ich selbst zu Beginn meines Weges gerne ein solches Buch gelesen hätte und der Aufforderung eines befreundeten Mönchs, der mir, nachdem er mein erstes Tagebuch gelesen hatte, sagte: „Das sollten möglichst viele Zen-Einsteiger lesen.“ Ungeschönt und authentisch beschreibe ich darin, in welchen wirren Gedanken ich mich selbst zu Beginn regelmäßig verheddert habe und die Missverständnisse und Illusionen, denen wir auf dem Weg begegnen können.

Aus den Tagebucheinträgen bzw. den Gedichten, die im Laufe der Zeit entstanden sind, versehen mit einem kurzen Text, entstand dann auch das Buch „Der Geschmack des Schattens einer Pflaume“.

Das Buch „Die Wahrheit des Seins“ ist mein kläglicher Versuch, das was ich im Zen für mich als wahr erkannt habe, auf irgendeine Weise in Worte zu fassen. Es beinhaltet auf wenigen Seiten kurze Texte zu bestimmten Themen des Lebens. Dabei erhebt es natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder Wahrheit, aber es kann die eigene Praxis durchaus bereichern.

Das bisher letzte Buch „Zazen – Weil´s besser ist als rumsitzen und gar nichts tun“ entstand aus einer Sammlung von Blog-Artikeln und Beiträgen, die im Laufe der Zeit auf meiner Website entstanden sind.

Frage: Möchtest Du zum Abschluss noch etwas sagen?

Heisan: Ich bedanke mich von Herzen bei allen Lehrern und Lehrerinnen für die Teilnahme an diesem Projekt und für ihre Unterweisung und ihr Handeln in der Welt. Auch allen Menschen, die dieses Filmprojekt bisher finanziell mitgetragen haben und durch Spenden den Film und das Buchprojekt möglich machen, möchte ich von Herzen danken. Nicht zuletzt gebührt mein Dank aber auch meiner Frau und meiner Familie, die mich darin unterstützt haben, dieses Filmprojekt überhaupt möglich zu machen und mir die Zeit gaben, die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen zu besuchen. Ich hoffe mit diesem Film einen kleinen Beitrag zur Verbreitung der Zen-Praxis leisten zu können.

Frage: Herzlichen Dank für dieses Interview.

Infos und Kontakt: www.blueprints-zen.info

Wenn Ihr Heisan in seiner Praxis und Weitergabe unterstützen möchtet, freut er sich über Spenden.

Den Film könnt Ihr hier ansehen.

Das Interview führte Patrick Ho Kai Damschen. Das Interview wird gleichzeitig auf der Webseite von 3 schätze veröffentlicht.

Was gibt es Neues im San Bo Dojo?

Liebe Weggefährt*innen,

bereits am 13.03.2020 haben wir unsere Pforten geschlossen, weil wir dies für einen guten Beitrag zur Verminderung der Ansteckungsgefahr mit Covid-19 halten und so hoffentlich ein Kollaps des Gesundheitssystems ausbleibt.

Alle unsere Aktivitäten haben wir seitdem in ein „virtuelles Dojo“ verlegt. Via Zoom finden die regulären Zazen Termine statt und auch unsere anderen Veranstaltungen, wie der Zen Tag in Stille, das Zazenkai, der Buch-Klub und die Zen & GFK Übungsgruppe können über dieses Medium stattfinden. Danke an dieser Stelle an Michael für die tolle Zeichnung, die unsere derzeitige Praxis sehr schön widerspiegelt.

Auch wenn die Begegnung in einem Video-Gruppen-Chat natürlich anders verläuft, als wir das aus dem physischen Dojo gewohnt sind, entsteht doch eine Form der Verbindung, die eine gemeinsame Praxis ermöglicht. Mit dem Bewußtsein, dass Meditation gerade vielen Menschen Halt bieten kann, gab es zwischendurch Überlegungen, ob wir die Zazen Termine öffentlich anbieten sollten. Es erscheint uns allerdings wichtig, mit dem Dojo einen Ort der Zuflucht zu erhalten, der es unserer Sangha ermöglicht, sich immer wieder in einem geschützten Rahmen zu treffen und auszutauschen.

Gleichzeitig haben wir nun seit dem 30.03.2020, jeweils am Montag Abend von 18:45 bis 20:15, ein zusätzliches und öffentliches „Zen & Sensory Awareness“ Angebot via Zoom gestartet. Die soll möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, mit uns zu meditieren und Verbundenheit zu erfahren. Weitere Infos dazu findet Ihr hier

Herzliche Grüße, Geduld und Gesundheit,

Patrick Ho Kai Damschen

Ryaku fusatsu – Eine gute Praxis fortsetzen

Manch einer meint, im Samsara zu wandern und den Weg nicht zu kennen, sei die Hölle. Tozan sagt, das Kesa zu tragen, die universelle Weisheit des Buddha zu kennen und nicht in Harmonie damit zu sein, das ist die Hölle.

Ryaku fusatsu ist Reinigung und Neubeginn. Es ist das Fallenlassen von Schuld und Scham und die Erinnerung an den Weg…

25 Jahre Zen Dojo Bonn

Im Jahr 1994 gegründet, existiert das Zen Dojo Bonn (San Bo Dojo) mittlerweile seit 25 Jahren.

Das sind 25 Jahre gemeinsamer Zen Praxis. 1994 wurde es von Ralf Halfmann gegründet, später von Daniel Lehmacher weitergeführt und nachdem mir 2006 die Leitung des Dojo übertragen wurde, haben wir diesen Ort dann „San Bo Dojo“ (3 Schätze Dojo) genannt.

Buddha, Dharma und Sangha sind die Drei Schätze, zu denen wir als Buddhist*innen Zuflucht nehmen. Wenn wir Buddha als Einheit verstehen und Dharma als die Lehre oder die universellen Gesetzmäßigkeiten, dann ist die Sangha ein Gefäss, in dem wir gemeinsam praktizieren können. Die Sangha ist wie eine Suppe, mit verschiedenen Zutaten und Gewürzen, die harmonisch miteinander wirken. So wie die Suppe im Topf kocht, kochen wir uns selbst im Dojo.

Zen-Praxis ist sowohl einzigartig, als auch gemeinschaftlich. Jede/r findet einen eigenen Zugang und einen eigenen Ausdruck in der Praxis. Nicht nur, weil wir in unserem Dojo viele Traditionslinien und Schulrichtungen vertreten wissen und wir uns von unterschiedlichen Lehrer*innen inspirieren lassen, liegt mir die Praxis in der Gemeinschaft des Dojos besonders am Herzen. Die Sangha steht für die Harmonie und gleichzeitig ist die Praxis als Sangha nicht immer einfach. So gab es in den letzten 25 Jahren Freude und Skepsis, Zögern und Wachstum, Gemeinschaft und Verbindung, Streiten, Unterstützung und Herausforderungen.

Immer wieder kommen neue und vor allem unterschiedliche Menschen ins Dojo, die dann ein Stück des Weges mit uns gehen, bleiben oder weiterziehen und immer bedeutet dies Veränderung und Inspiration. Hier wird das Dojo zum Spannungsfeld von Ungetrenntheit (Buddha) und Verschiedenheit (Dharma), den zwei Aspekten der Wirklichkeit. Wie Dogen betont, reicht es nicht aus, diese zwei Seiten der Wirklichkeit nur zu betrachten. Er sagt, wir sollen sie in einer einzigen Handlung ausdrücken. Wie drücken wir nun diese zwei Seiten der Wirklichkeit in einer einzigen Handlung aus? Unsere Persönlichkeit und die universelle Wirklichkeit? Unsere eigene Praxis und die der anderen? Unsere Beziehungen jetzt und hier, zum Boden, zur Luft, zum Raum und allem was uns umgibt? Dies zu ergründen ist Aufgabe der Sangha.

Im San Bo Dojo üben wir neben Zazen, die Gewaltfreie Kommunikation und Sensory Awareness, um uns immer wieder in der Begegnung und im Zuhören zu üben. Wir können diese Werkzeuge für unsere gemeinsame Entwicklung nutzen und uns in der Begegnung mit uns selbst und den anderen erfahren.

Die Sangha unterstützt meine eigene Praxis und so wird meine eigene Praxis die Praxis der Sangha.

25 Jahre gemeinsame Zen Praxis bieten eine schöne Gelegenheit sich zu treffen und so gab es am 23.11.2019 ein Wiedersehen mit neuen und alten Weggefährt*innen und Gästen.

Auf weitere 25 Jahre… Patrick Ho Kai Damschen

Muho zu Gast in Bonn

„Zen ist Deine Sache!?“ war der Titel des Vortrags, den Muho am Freitag, 30.08.2019 in Bonn gehalten hat. Mache ich Zen wirklich zu meiner Sache und wenn ja, ist es dann noch meine (persönliche) Sache? Der Vortragstitel und die Fragen dazu, waren eines der Kernthemen, die sich auch durch den gemeinsamen Zen Tag am Samstag, 31.08.2019 und die Matinee mit Zen und Gespräch am Sonntag, 01.09.2019 gezogen haben.

Hier einige Links zu den Vorträgen und Mondos (Fragen und Antworten) mit Muho:
(bitte auf die Links in den Bildern klicken)

Wenn Du erkennst, dass Du aus dem Hamsterrad aussteigen kannst und Du siehst, dass Du nicht die Figur auf dem Spielbrett bist, mit der Du Dich immer identifiziert hast, ist das nur der halbe Weg. Irgendwann musst zu an das Spielbrett zurückkehren und wieder mitspielen, nur mit neuen Regeln. Die Spielregeln eines Bodhisattva sind das (Sich) Geben, Worte der Liebe sprechen, Kooperation und keine Unterschiede machen.

Im Körper sein, heißt im Geist sein

Bill Kwong Roshi im Gespräch mit Stefan Laeng.

Es ist mehr, als ich sagen kann, und es ist mehr, als du hören kannst.“ (Suzuki Roshi)

Bill Kwong – Jakusho Kwong-Roshi (B) erzählt von seiner Begegnung mit der Sensory Awareness Pionierin Charlotte Selver, über den Einfluss, den Sensory Awareness auf seine Zen Praxis hat, und über die letztendliche Einheit von Form und Lebendigkeit.

Stefan Laeng (S) führte das Gespräch im Rahmen des Charlotte Selver Oral History and Book Project anlässlich eines Besuches im Sonoma Mountain Zen Center.

S: Erzähl uns doch etwas zum Hintergrund und wie du Charlotte Selver zum ersten Mal getroffen hast.

B: Das kam durch das San Francisco Zen Center, durch Suzuki Roshi. Die beiden trafen sich und brannten sofort für einander. Ich selbst war eher ein sehr verkrampfter Schüler.

S: Damals warst du also ein Schüler von Suzuki Roshi?

B: Oh, sicher. Und dann habe ich heimlich gedacht, vielleicht sollte ich einen Kurs bei ihr besuchen und fühlte mich dabei, als hätte ich Suzuki Roshi verraten. So war ich damals. Schließlich sagte ich es Roshi und zu meiner Erleichterung war es für ihn überhaupt kein Problem. Also traf ich sie durch ihn, wer auch immer sie dazu gebracht hat, Suzuki Roshi zu treffen, ich weiß nicht genau, wie das passiert ist.

S: Es kam durch Richard Baker.

B: Oh, Baker Roshi, natürlich. Charlotte und Suzuki Roshi haben zusammen Workshops gemacht, wo sie ihre völlig neue Methode vorgestellt hat. Es war großartig für mich, vor allem, weil ich so angespannt war. Ich konnte mich nicht ausdrücken; ich wollte nicht reden. Als Charlotte kam, brach etwas in mir auf. Weißt du, es war nur Berühren und Spüren, aber es öffnete sich mir eine Tür. Mein Körper war damals so angespannt und deshalb war dieses Sinnesgewahrsein für mich sehr wichtig, um mit der Angst und einer ganzen Reihe von Dingen umzugehen. Ich habe dann einen Workshop von Charlotte in der Stadt besucht, einen sechswöchigen Kurs. Es war grossartig.

S: Weißt du mehr von der Verbindung von Charlotte und Suzuki Roshi?

B: Genau weiß ich es nicht aber ich konnte spüren, dass es eine tiefe Verbindung zwischen den beiden gab, indem wie sie sich ansahen und wie sie miteinander arbeiteten. Es ist irgendwie sehr selten und wunderbar, weil sie aus Europa kam und er aus Asien und es trotz der unterschiedlichen Kulturen, gar kein Problem war. Es war wie ein Körper und ein Geist. Kennst du das Drala Prinzip?

S: Nein, nie gehört…

Da Selbst und Universum nicht getrennt sind, ist es nicht nur das Selbst, das etwas tut, sondern das ganze Universum.

B: Es bezieht sich auf eine Lehre, die Chögyam Trungpa in den letzten zehn Jahren seines Lebens unterwiesen hat. Drala ist die elementare Präsenz der Welt, die uns durch Sinneswahrnehmungen zur Verfügung steht. Es geht um Vertrauen und Energie.

Ich bin sicher, Charlotte wusste das. Sie stand mit ihrem Körper und ihrem Geist in Kontakt und es gab eine Energie, die strahlte. Die Dralas sind die der Welt zugrundeliegende Weisheit und Kraft die, wie alles im Buddhismus, sowohl in dir als auch in der Umgebung sind. Die Heiligkeit der Umgebung; die Heiligkeit dieses einen Körpers. Es ist das Vertrauen in sich selbst und in die Umgebung als eine Einheit. Da Selbst und Universum nicht getrennt sind, ist es nicht nur das Selbst, das etwas tut, sondern das ganze Universum.

Ich finde das sehr interessant und ich bin sicher, dass Charlotte damit arbeitete, denn es ist ein universelles Prinzip. Wenn Charlotte arbeitete, hatte sie diese Energie. Sie war eine Übertragung dieser Energie. Und das ist es, was sie weitergab, ihre Lebenskraft.

S: Erinnerst du dich an dein erstes Treffen mit Charlotte?

B: Ja, ich hatte große Angst. Ich hatte Angst, dass ich einen Fehler machen würde. Ich war sehr verletzlich und natürlich passierten die Fehler sowieso. Gleichzeitig gab es diese Einsichten. Wenn wir z.B. einen Ball von einer Hand in die andere warfen. Wir haben ihn immer gefangen, weil wir einfach so konditioniert sind. Dann sagte Charlotte: „Schließt die Augen“ und wir fingen ihn immer noch. Und dann sagte sie, „jetzt den Ball verfehlen“, und dann ging etwas in mir auf. Es war nicht verbal aber ich erinnere mich daran. Habt ihr das auch gemacht?

S: Ja, aber kann mich nicht erinnern, dass wir mit geschlossenen Augen versuchten. Aber das ist das Wunderbare an unserer Arbeit, dass wir einfach spontan etwas erfinden können, was im Moment passt.

B: Ja, genau. Also, das sind Dinge, an die ich mich erinnere…

S: Warst Du im Zen-Zentrum in der Stadt oder auch in Tassajara?

B: Nein, das war das San Francisco Zen Center. Charlotte kam, nachdem Baker Roshi sie getroffen hatte. Aber das war später. Davor gab es die erste kleine Gruppe, aus drei bis vier Personen. Ich glaube, ich bin der einzige, der noch lebt. Als Charlotte dann kam, waren es vielleicht zwölf. Ich erinnere mich nicht genau, ob es alle Zen-Schüler waren…

S: Hat sie auch hier oben etwas angeboten?

B: Oh ja! Wir hatten hier oben einen Workshop. Ein „Zenefit“ nannte ich ich das. Im Büro sind die Poster. Charlottes Bild und vielleicht auch ihr Mann Charles Brooks sind drauf. Er war ein guter Lehrer. Sie versuchten, uns zu helfen, Geld für den Aufbau zu sammeln.

S: Seit wann bist du hier oben?

B: Puh, ich fange an, Dinge zu vergessen. 1973? Ich weiß nicht genau.

S: Du warst schon früh ein Schüler von Suzuki Roshi?

B: Oh ja, 1960. Wir waren die erste Gruppe.

S: Woher wusstest du von ihm oder wie hast du von ihm gehört?

B: Ich erinnere mich, dass ich mich für Zen interessierte, aber damals konntest Du das Wort „Zen“ noch nicht im Wörterbuch finden und es gab zu dieser Zeit auch kaum Bücher. Aber in einem Artikel einer Zeitung wurde Suzuki Roshi die Frage nach der „Freiheit“ gestellt. Der Interviewer fragte, warum halten Sie einen Vogel in einem Käfig? Suzuki Roshi stand daraufhin auf und öffnete den Käfig und der Vogel flog hinaus. Das hat mich wirklich beeindruckt. Also gingen wir zum Tempel; ich war ein Beatnik – schwarze, schmutzige Kleidung usw. Es gab im Tempel keine Zafus oder Tatamis; es gab Bänke, genau wie in einer Kirche, weil es im Grunde genommen für die japanische Gemeinschaft in San Francisco gedacht war. Dann kam Suzuki Roshi durch eine andere Tür herein. Er sah mich nicht an und ich sah ihn nicht an. Ich hatte also all diese Samurai-Filme gesehen …

S: Und du hast etwas ganz anderes erwartet (beide lachen).

B: Er ging zum Altar und ordnete die Blumen neu, das war alles, was er tat. Ich fand das total spießig und bin gegangen. Ich hatte auch meine Schuhe nicht ausgezogen oder so, ich hatte Stiefel an. Auf dem Heimweg fand ich dann dieses riesige Bild des Kamakura Buddha, das da einfach an der Strasse stand, und nahm es mit nach Hause. Es muss an Buddhas Geburtstag gewesen sein oder so um diese Zeit. Ich nahm es also mit nach Hause und wollte es in einem Schrank wegstecken, aber es passte nicht und so habe ich es im Flur aufgehängt. Wir lebten gleich um die Ecke und ich denke, dass mich das Bild zurück in den Tempel gebracht hat, um mit dem Sitzen zu beginnen.

S: Du bist also zurückgegangen.

B: Ja, ich bin zurückgegangen (lacht). Zum Glück!

Im Körper sein, heisst im Geist sein; und im Geist sein, heisst im Körper sein.

S: Erinnerst du dich, welche Rolle Charlotte im Zen-Zentrum gespielt hat?

B: Ich weiß nicht genau aber mich hat sie in meinen Körper gebracht. Ich konnte den Stress erkennen, der sich in meiner Haltung ausdrückte. Im Zen sind Körper und Geist immer eins – sie sind nicht getrennt. Im Körper sein heisst also im Geist sein; und im Geist sein, heisst im Körper sein. Das war ein großes Geschenk, denn ich denke, in der westlichen Kultur sind sie gespalten – der Körper und der Geist sind zwei verschiedene Dinge. Doch für mich hat Charlotte es wieder zusammengeführt. – So kannst Du wirklich in Zazen einsteigen. Der Körper wird etwas weicher, wenn man spürt, wo man festhält.

S: Ja.

B: Und natürlich war ihre Anwesenheit für mich einfach immer erhellend. Diese Energie. Du wusstest, da war etwas.

S: Und jetzt, nach all diesen Jahren? Beeinflusst dich das noch?

B: Ja. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wenn ich meine Hand so (verkrampft) halte und frage mich – warum mache ich das, entspann dich einfach.

S: Für mich ist es so faszinierend, dass die beiden zusammenkamen, weil es bei Zen auf den ersten Blick so sehr um die Form geht. Charlotte hat, in gewisser Weise, all diese Formen und Rituale aufgegeben.

B: Ja, es gibt eine Menge Form und Rituale, aber es ist nicht das, wonach es aussieht, sondern wirklich befreiend. Es ist nicht von Menschen gemacht (lacht), nicht aufgezwungen, wie in der Armee oder beim Militär. Man könnte es so verstehen aber so ist es überhaupt nicht. Suzuki Roshi’s Körper war sehr weich. Er hat lange geübt und nach vielen, vielen Jahren wird der Körper weicher und weicher. Anfangs ist es vielleicht sehr starr. Charlotte half uns, diese Starrheit zu beseitigen und sie zu mildern. Es sieht formal aus aber wenn man wirklich in die Form kommt, geht es darüber hinaus. Man könnte meinen, ihre Arbeit wäre formlos und auf der anderen Seite wäre die Form, doch eigentlich ist es beides gleich.

S: Ja, das glaube ich auch.

B: Im Wesentlichen, ja. Wenn es wirklich Differenzen gäbe, würden sie sich nicht aufeinander beziehen.

S: Das denke ich auch. Trotzdem ist es zuerst überraschend. Wenn man dann tiefer geht, ist es überhaupt nicht verwunderlich. Sie passen wirklich zusammen. Nun, es ist schon erstaunlich, dass Charlotte in Deutschland wahrscheinlich nichts von Zen gehört hätte, wenn sie weiter dort gelebt hätte. Ihre erste Begegnung mit Zen war…

B: Durch Dürckheim?

S: Nein, nein. Zwar kannte sie Graf Dürkheim in Deutschland, aber das war lange bevor er nach Japan ging. Nein, eine Tante in San Francisco schickte ihr ein Buch von Alan Watts und sagte, der schreibt über das, was du tust.

B: Oh, du meinst „Geist des Zen“?

S: Ja, so hörte sie zum ersten Mal von Zen. Sie las dieses Buch und war sehr angetan von ihm. Also ging sie nach San Francisco, um ihn zu treffen und mit ihm zu sprechen.

B: Und was war ihr Eindruck?

S: Sie traf ihn und er hatte diese Kalligraphie im Hintergrund, und – so erzählte sie das immer – sie fragte Alan Watts, was das bedeutet. Alan Watts antwortete, es bedeutet „Berge sind Berge“. Und Charlotte lachte und sagte, natürlich sind Berge Berge. Alan Watts darauf: “Nein. Im Zen sind Berge erst Berge, dann aber muss alles in Stücke zerfallen, bevor Berge wieder zu Bergen werden.“

B: Das hat ihr bestimmt gefallen!

S: Ja, sie wurden sehr enge Freunde und haben viele Jahre lang gemeinsam Workshops durchgeführt. Normalerweise war es dann so, dass er erst einen Vortrag hielt und sie dann eine Session gab.

B: Eigentlich waren sie ziemlich komplementär, weil er sehr im Kopf war.

S: Ja. Und Alan hat ihr in gewisser Weise auch wirklich geholfen. Er war derjenige, der sie von New York nach Kalifornien holte. Zuerst nach Los Angeles und dann auch nach San Francisco.

B: Für eine Rückkehr nach Deutschland war es wohl zu früh und Kalifornien war genau der richtige Ort.

S: Charlotte ist sehr lange nicht nach Deutschland zurückgekehrt, um zu unterrichten, nicht bis in die 80er Jahre. Nun aber wieder zu Dir. Du bist schließlich irgendwann vom Zen-Zentrum fortgegangen.

B: Oh, ja, nachdem Suzuki Roshi 1971 gestorben war, schien es Zeit für mich zu gehen. Ich war zehn Jahre dort gewesen und nun schien es so, als gäbe es keinen Platz mehr für mich im Zen-Zentrum. Es waren sehr schwierige Zeiten und ich beschloss einfach wegzugehen und vielleicht irgendwo anders zu sitzen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sonoma Mountain Zen Center entstehen würde.

S: Wie schön. Aber du bist mit Charlotte in Kontakt geblieben, ja? Sie kam später einmal hier hoch zu Euch?

B: Ja, aber zunächst gab es eine Menge Arbeit. Dieses Haus sah vorher nicht so aus wie jetzt. Ich meine (lacht), es könnte sicherlich noch etwas mehr Arbeit brauchen, aber damals konnte es passieren, dass wir einfach nur den Flur entlang gingen und die Füße meiner Kinder durch den Boden brachen. Es gab tatsächlich eine ungeheure Menge Arbeit, um – ohne Geld – das Haus und die Scheune, wo das Zendo jetzt ist, aufzubauen. Es war wie unser Testgelände. Nun, wir hatten schon ein Testgelände, bevor wir überhaupt hierher kamen.

S: Und wo war das?

B: Ein anderer Ort aber wir haben ihn verloren. Weil wir eigentlich hier sein sollten. Das ist der Ort. Zunächst waren wir eine kleine Gruppe und in den 36 Jahren, in denen wir jetzt hier sind, sind wir gewachsen, wir sind wieder geschrumpft und gerade jetzt sind wir wieder in einer Zeit der Expansion.

S: Ich sehe nicht viele jüngere Leute bei den Buddhisten im Westen. Werden wir bald wieder aussterben?

B: Naja, da kommen schon neue nach jetzt bei uns. Aber es kann auch zu gross werden. Wieviel ist genug? Zwölf? Ich weiss nicht. Wichtig ist, dass die Linie fortbesteht, egal ob es sich um eine kleine oder große Gemeinschaft handelt. Ich bevorzuge eher eine kleine Gemeinschaft, weil man sehen kann, was die Leute machen und wie sie sich entwickeln.

S: Ich verstehe, was du meinst. Natürlich kam nach Charlottes Tod, und eigentlich auch schon früher, für uns diese Frage ebenfalls auf. Wie geht es weiter oder was ist es, das weitergeht? Charlotte war Charlotte, und keiner von uns kann Charlotte sein.

B: Ja, das ist gut zu wissen, denn wenn du es versuchst, wirst du scheitern. Ich habe es versucht.

S: Du hast versucht, Suzuki Roshi zu sein?

B: Oder einfach irgendetwas zu sein, ja. Aber für mich war es schwer, weil ich nicht einmal ich selbst war. Ich dachte, ich müsste ein Lehrer werden, bevor ich ich selbst wurde. So hatte ich 36 harte Jahre. Möglicherweise habe ich deshalb Krebs bekommen.

S: Oh, du hattest Krebs?

B: Ja, aber es war ein guter Krebs, das heisst, er hat sich nicht ausgebreitet. Das war 1976; ich hatte wirklich Glück.

S: Hat dir das geholfen, dich selbst zu finden?

B: Ich denke schon. Manche Leute brauchen dafür keinen Krebs aber jeder muss durch seine eigene Evolution, seinen eigenen Prozess.

S: Nun, das trifft sicherlich für mich zu. Ich bin dieser Arbeit und natürlich Charlotte seit vielen, vielen Jahren sehr verbunden. Und ich wollte immer ein Lehrer sein. Solche Fragen kommen bei mir auch auf. Ich mag, was du gesagt hast, erst man selbst zu werden, bevor man ein Lehrer wird.

B: Ich tat es aber eben anders rum und versuchte, makellos zu sein, aber Suzuki Roshi sah trotzdem alle meine Fehler. Also habe ich versucht, mir besonders viel Mühe zu geben. Als wir dann später hierher kamen, waren meine Frau und nicht wirklich die Art von Menschen, die es verstanden hätten, eine Organisation zu leiten. Wir sind eher so Künstlertypen. Ich nahm an, dass die Menschen hierher kamen, weil sie praktizieren wollten, aber sie kamen einfach nur hierher und hingen herum. Wir hatten keinen Zeitplan. Ich saß und ich saß allein. Und das hat mir irgendwie geholfen, gelöster zu werden. Mir fiel es schwer zu sagen: „Das kannst hier nicht einfach herumhängen.” Ich hatte nicht das Selbstvertrauen oder ein Gefühl der Autorität. Ich dachte, die Leute würden einfach von selbst zum Üben inspiriert, so wie ich, als ich hierher gekommen bin. Das war also eine große Lektion für mich.

S: Gestern habe ich mit Ed Brown gesprochen. Interessanterweise erwähnte er einige der gleichen Dinge, dass wir es immer richtig machen wollten.

B: Ja, genau.

S: Und so machen wir dann halt auf Form, wollen sein wie die Zen-Meister aber im Inneren herrscht vielleicht Chaos und alles fällt auseinander. Naja, und wie kann man dann auseinanderfallen ohne in Stücke zu gehen? Ich denke, das ist in gewisser Weise eine andere Art zu sagen, dass man sich wirklich selbst findet. Wenn wir allerdings perfekt sein wollen, ist das wirklich schwer.

B: Ja, aber das ist Teil des Prozesses. Dieser Konflikt bezüglich der Form und im Inneren bist du ein Chaos. Es ist Teil des Prozesses, die beiden zusammenzubringen. Das ist dann kein Glaube mehr, es kommt eher aus dem Bauch heraus.

S: Hast Du noch andere Erinnerungen an Charlotte?

B: Ich erinnere mich nur an ihr Lächeln und ihre Ausstrahlung. Wir hatten nicht sehr viele lange Gespräche. Ich schätze, dass ich damals nicht die Art von Person war, die lange Gespräche mit Menschen führte. Ich habe kaum geredet. So hatten wir eher eine sensorische, fühlende, Beziehung. Genau wie mit Trungpa, da habe ich auch nicht viel gesagt; mit Suzuki Roshi habe ich nicht viel gesagt und trotzdem gab es eine sehr tiefe Verbindung.

S: Du warst auch ein Schüler von Chögyam Trungpa?

B: Ich war kein Schüler von ihm aber als Suzuki Roshi starb – Trungpa traf Roshi nur viermal aber er hatte das Gefühl, seine Lehrer aus Tibet zu treffen. Es ist dasselbe Gefühl, jenseits der Tradition. Ob es nun ein koreanischer Zen-Meister, ein japanischer Zen-Meister oder ein tibetischer Lama, ein Rinpoche ist, es ist das gleiche Gefühl, was wirklich schön ist. Alan Ginsberg hat mich mit Trungpa bekannt gemacht und Trungpa hat dann begonnen, mich an’s Naropa Institute in Boulder, Colorado, einzuladen. Es war eine Ehre, da zu lehren, aber auch eine grosse Herausforderung. Man wusste nie, was er als nächstes sagen oder tun würde.

S: Beeinflusst er deine Arbeit hier?

B: Ja, ich denke schon, wir haben hier eine Stupa für ihn und es gibt z.B. jedes Jahr ein Drala-Program. Wir kamen uns schon sehr nahe – es waren unsere Brüder und Schwestern. Wir konnten diese Erfahrung machen, weil wir außerhalb des Zen-Zentrums waren und so die Möglichkeit hatten, viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Traditionen kennenzulernen. Es ging nicht nur darum, sie zu lesen und dann ihre Methode zu übernehmen, sondern es ging darum, sie persönlich zu treffen und zu erfahren, dass es keine Grenzen gibt. Das war wirklich inspirierend.

S: Es ist schön zu sehen, wie sich diese verschiedenen Traditionen begegnen.

B: Ja.

S: Sehr schön. Ich denke, das reicht für heute. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

B: Es war mir eine Ehre. Wenn Suzuki Roshi etwas nettes über jemanden sagen wollte, dann sagte er gerne: „Es ist mehr, als ich sagen kann und es ist mehr, als du hören kannst.” Ich mag das sehr. Das ist für Charlotte.

Bill Kwong – Jakusho Kwong-Roshi (B) – ist Gründer und Abt des Sonoma Mountain Zen Centers in Santa Rosa, Kalifornien. Er war ab 1959 einer der ersten Schüler von Shunryu Suzuki in San Francisco, wo er Mitte der 60er-Jahre auch die Sensory Awareness Lehrerin Charlotte Selver kennenlernte. Nach Suzuki’s Tod verliess Bill Kwong das aufblühende San Francisco Zen Center, um in seinem Geburtsort ein eigenes Zentrum aufzubauen, das er noch heute zusammen mit seinem Sohn Nyoze Demian Kwong leitet.

Mehr über Bill Kwong und Sonoma Mountain Zen Center erfahrt Ihr hier… 

Stefan Laeng praktiziert Sensory Awareness und verwandte Arbeiten seit 1980. Er studierte mit LehrerInnen in der Schweiz und den USA. Mit Charlotte Selver arbeitete er von 1991 bis zu ihrem Tod 2003 intensiv zusammen, als Schüler wie auch in gemeinsamen Kursen. Er erhielt von ihr 1996 die Lehrberechtigung. Buddhistische Meditation und Philosophie bilden seit den frühen 80er Jahren eine Grundlage seiner Arbeit und seines Lebens. Er ist Executive Manager der Sensory Awareness Foundation und bietet sowohl Einzel- als auch Gruppenunterricht und Workshops an. Er arbeitet zur Zeit an einem Oral History und Buchprojekt über Leben und Wirken von Charlotte Selver. Stefan lebt in Hancock, New Hampshire, USA.

Weitere Infos: www.mindfulnessinmotion.net