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Die Umstände zulassen

Teisho zum Sesshin mit Peter Shokan Jansen, Kô Getsu An, 03-2022

Eines Tages fragte ein Mönch Meister Daizui Honshin: „Wenn das ewige Feuer kommt und das Ganze Universum zerstört, wird dann mein Geist ebenfalls zerstört oder nicht?“

Meister Daizui Honshin antwortete: „Es wird zerstört werden.“

Der Mönch erwiderte: „Sollte man dann die Umstände zulassen?“ und der Meister antwortete: „Ja, lass sie zu“.

Dieser Mönch hier scheint in Sorge zu sein über ein ewiges Feuer, was den Tod vieler Menschen und auch seinen eigenen Tod bedeuten könnte.

Seit über 14 Tagen bin ich mit meinen Gedanken immer wieder bei den Menschen in der Ukraine. Ich sitze vor einem Feuer, dass direkt vor meiner Haustür brennt. Und auch, wenn sich das Gedankenkarussel während unserer Zeit hier im Sesshin langsamer dreht, bin ich doch in Sorge um die Entwicklungen in der Welt. Sei es durch Hilflosigkeit, Frustration oder einfach gnadenlose Selbstüberschätzung, die Gefahr einer nuklearen Bedrohung könnte dieses Feuer schnell zu einem noch größeren Feuer werden lassen. In Echtzeit verfolge ich die Eskalation dieses Krieges am Handy, die Nachrichten und versuche die verschiedenen Eindrücke zu sortieren, die über so viele Kanäle auf mich einwirken. Manchmal macht mich diese Fülle an Informationen hilflos, ja ohnmächtig. Der Geist will Position beziehen, will keine Angst haben, will das richtige denken und tun. – „Sollte man die Umstände zulassen?“ Was könnte ich überhaupt tun? Wenn ich feststelle, wie wenig ich tatsächlich weiß und wie begrenzt mein Einfluss ist, verwandeln sich Angst und Sorge schon mal in Wut und schon bin ich selbst mitten im Krieg.

Der Mönch fragt aus seiner subjektiven Perspektive heraus. Was kann ich tun? Wie wird das alles enden?

Wie können wir unser Herz und unseren Geist beruhigen und klar auf die Dinge schauen, um wenn nötig, Entscheidungen zu treffen?

Das Holz vor der Zendo trägt die Schriftzeichen „mujô“ (無常) und ruft uns dazu auf, uns immer wieder mit dem universellen Gesetz der Unbeständigkeit zu beschäftigen. Die Zerstörung des gesamten Universums ist eine Tatsache. Das ewige Feuer meint eben diese Vergänglichkeit, das ständige Werden und Vergehen.

Gut und Böse, alles wird vergehen.

Haben wir Sorge, wenn dies auch unseren eigenen Geist, unser eigenes Leben betrifft?

Ich möchte nicht das meine Worte zynisch klingen oder das Leid der Menschen in der Ukraine und auch der russischen Soldaten relativieren. Doch ich möchte Vertrauen üben in die objektive Perspektive des Meisters, der sagt: „Ja, es wird zerstört“ und „Ja, lass die Umstände zu“.

Wenn wir uns selbst betrachten, stellen wir fest, wie dieses ewige Feuer, von dem der Mönch spricht, auch in uns wirkt. In jedem Augenblick geschieht Wandel, Leben und Sterben. Wir haben darauf keinen Einfluss, wir können die Vergänglichkeit nicht aufhalten.

Wie können wir uns mit dieser Tatsache aussöhnen?

„Die Umstände zulassen“ ist ein berühmter Ausspruch von Meister Joshu. Er rät uns, den universellen Gesetzen zu folgen und nicht zu versuchen, die Wirklichkeit unseren Vorstellungen anzupassen.

Frieden finden wir nur im Kontakt mit der Wirklichkeit, wie sie sich hier und jetzt zeigt. An diesem Ort.

„Die Umstände zulassen“ oder „Körper und Geist fallen lassen, um von den 10.000 Dingen bestätigt zu werden“, wie es Meister Dogen ausdrückt, bedeutet, uns mit der Ohnmacht, mit der Traurigkeit ebenso wie mit der Freude, der Liebe und dem Mitgefühl zu bewegen.

„Die Umstände zulassen“ heißt auch, sich einfach dem Rhythmus der Atmung anzuschließen und zu lauschen. „Von den Dingen bestätigt werden“ bedeutet, dem Boden zu erlauben, uns zu berühren und zu tragen. Sich dem Boden anzuvertrauen und uns sitzend aufrichten zu lassen. – Wenn wir in einem Dialog mit den Dingen sind, bekommen wir auch einen realistischen Blick auf unsere Handlungsmöglichkeiten.

Über unsere Sinne nehmen wir Teil am großen Leben. Wir sehen und sind in eins mit Gesehenem, wir hören und sind in Kontakt mit Gehörtem, dem Klang der Worte, dem Klang der Vögel, wir tasten und spüren den Boden, wir riechen den Geruch des Räucherwerks, schmecken, denken und bilden ein Bewusstsein. – Durch diese Dharmatore treten wir ein in die Wirklichkeit, wie sie ist, gemeinsam mit den Dingen, im gegenseitigen Austausch. In der Begegnung, in diesem Moment, können wir Nicht-Zweiheit erfahren und können das Leben aktiv mitgestalten.

„Die Umstände zulassen“ bedeutet Befreiung und Frieden.

Patrick Ho Kai Damschen

Foto: Günther Bruhn